Nato-Gipfel in Straßburg (2009)

YES, I CAN!…

Bereits vor Monaten habe ich mich direkt über die NATO für dieses politische Großereignis akkreditiert. Wenn mir vor meiner Abreise nach Strasbourg allerdings jemand erzählt hätte, wie schwer es werden würde, überhaupt dorthin zu gelangen, ganz ehrlich, ich weiß nicht einmal, ob ich dann überhaupt losgefahren wäre. Im Nachhinein hatte ich nämlich mehr Glück als Verstand, wie Ihr gleich feststellen werdet…und falls ich irgendwann mal die Möglichkeit haben sollte, Obama nicht nur zu sehen, sondern auch persönlich zu sprechen, dann werde ich ihm erzählen, was ich alles auf mich nahm, um ihn endlich mal in persona zu treffen…

Im Vorfeld zum Gipfel hatte ich bereits zig Mal mit einer netten Dame vom deutschen Pressedienst telefoniert, die mir mitteilte, dass ich am Freitagmorgen bis spätestens 9 Uhr meine Poolcard im Pressecenter in Strasbourg abholen müsse, um bei der Ankunft von Merkel & Co. am Baden Airport dabei zu sein. Doch bevor ich die Poolcard ausgehändigt bekäme, müsste ich erst zum französischen Akkreditierunksamt, das sich leider einige Hundert Meter weiter befand. Unter normalen Umständen kein Problem, aber mit zig Straßensperren eine echte Herausforderung. Die Aufgabenstellung war also folgende: So rechtzeitig in Strasbourg anzukommen, dass ich erst meine Akkreditierung abholen kann und damit dann an anderer Stelle die Poolcards für die Events erhalte. Und zwar bis 9 Uhr, ansonsten würde der Presseshuttle ohne mich abfahren.

Der erste Zug vom Bahnhof Baden-Baden in Richtung Strasbourg fuhr an diesem Morgen um 6.12 Uhr. Betrachtet man meine Reise mal als Computerspiel, dann war das noch die leichteste Schwierigkeistsstufe. Mein Taxifahrer wurde auf der sonst dunklen Bundesstraße von hell erleuchteten Straßenposten der Polizei angehalten und wir mussten unseren Personalausweis zeigen. Einmal noch leuchtete der Polizeibeamte mit der Taschenlampe in unsere Gesichter und weiter ging’s. Am Bahnhof, wo bereits einige Gegendemonstranten ihre Zelte aufgeschlagen haben, warte ich auf den ICE nach Offenburg, von da soll es mit dem Regionalzug auf Gleis 5 weiter gehen nach Kehl, an die Grenze. Ich sage soll, denn als ich in Offenburg ankomme, ist der angebliche Anschlusszug nicht mehr zu sehen. Er sei bereits auf Gleis 7 abgefahren, sagt mir jemand. Es ist 6.30 Uhr, und die Probleme fangen an.

Ich bin bei Schwierigkeitsstufe zwei. Denn auch später, so höre ich, fährt kein Zug mehr Richtung Strasbourg. Ein älterer Herr neben mir schnauft: „Des isch doch Freiheitsberaubung“ und trollt schimpfend von dannen. Ein Blick auf die Uhr lässt mich in Panik geraten. Ich renne zum Taxistand und frage den Fahrer: Können Sie mich nach Strasbourg bringen? Er guckt mich ungläubig an und sagt: Das können Sie vergessen, Sie können froh sein, wenn wir überhaupt nach Kehl kommen.“ Na toll, der macht mir ja Mut, denke ich und sage: „Versuchen Sie es trotzdem, no risk, no fun. Das gefällt ihm und er fährt los. 50 Euro soll die Fahrt kosten und ich bete, dass ich sie nicht umsonst zahle. Ohne größere Probleme kommen wir durch, doch an der Rheinbrücke nach Kehl heißt es dann: Riene va plu, nichts geht mehr. Mein Taxifahrer zuckt hilflos mit den Achseln, nimmt das Geld und wünscht mir viel Glück. Es ist 7.15 Uhr.

Schwierigkeitsstufe 3. An der Rheinbrücke stauen sich die Busse und Autos. Die Franzosen lassen nur Leute mit sichtbarer Akkreditierung rein. Quizfrage: Wie komme ich dann aber überhaupt in die Stadt, um meine Akkreditierung abzuholen, wenn ich ohne diese aber nicht dort hingelassen werde? Egal, kapitulieren kommt jedenfalls nicht in Frage, noch nicht…Da ich zu Fuß keine Chance habe, an den Kontrollen vorbeizukommen, versuche ich eines der vorbeifahrenden Autos anzuhalten. Die ersten fahren vorbei, dann kommt eines mit der Aufschrift „Presse“, meine Chance! Ich klopfe an die Scheibe des Wagens, signalisiere, dass ich auch von der Presse bin, trotzdem zögern sie, die Tür aufzumachen. Aber irgendwie sehe ich wohl so verzweifelt aus, dass sie ein Einsehen haben. „Können Sie mich mitnehmen, ich bin auch Journalistin, flehe ich die Dame auf dem Rücksitz an. „Ich muss bis 9 Uhr meine Poolcards abholen, sonst…“ „Frau Boromandi? fragt sie mich und als ich bejahe muss sie lachen. „Ich bin Frau Weissenstein vom Bundespressedienst, wir hatten die Woche telefoniert.“ Ich kann es nicht glauben, aus den Hunderten Autos suche ich mir das aus, in dem die Mitarbeiterin des BPD sitzt, verrückt, oder? Sie lässt mich ins Auto einsteigen, warnt mich aber, dass, falls ich gleich bei der Kontrolle auffliege, dann aussteigen müsse, weil es ihnen eigentlich gar nicht erlaubt sei, Leute ohne Ausweis mitzunehmen. Das Risiko gehe ich ein, mir bleibt ja auch keine andere Wahl. Wir kommen an den ersten französischen Kontrollposten. Alle im Auto heben sichtbar ihre Ausweise hoch und ich hinten tue eben so als ob. Es funktioniert, wir werden durch gewunken. Dasselbe Spiel an zwei weiteren Kontrollposten und ich bin wieder optimistisch, es ist 8.10 Uhr. Im Herzen von Strasbourg lassen mich die BPD-Leute raus. Denn sie müssen ins Pressecenter, ich aber zuerst in die andere Richtung zur französischen Akkreditierungsstelle. „Bis 9 Uhr halten wir die Karte für Sie noch bereit“, versichert mir Frau Weissenstein, „bis gleich.“ Hoffentlich.

Schwierigkeitsstufe vier. Auf dem Stadtplan sehe ich, dass ich weiten Fußweg vor mir habe und mir die Zeit davonläuft. Bus und Taxen gibt es nicht. Also, ist wieder Eigeninitiative gefragt. Ich halte einen französischen Autofahrer an und tippe immer wieder mit dem Finger auf die Strasse im Stadtplan, in die ich muss. Zur Sicherheit wedle ich auch noch mit einem 10 Euro Schein. Er versteht und nickt, wunderbar, sage noch einer, mein Französisch wäre nicht passabel. Der barmherzige Samariter setzt mich gegenüber vom Akkrediterungsamt ab und will noch nicht einmal mein Geld annehmen. Ich habe das erste Ziel vor Augen. Uhrenvergleich: 8.20 Uhr. Das Problem, er hat mich auf der gegenüberliegenden Straßenseite rausgelassen und da beide Seiten mit Barrikaden versehen sind, stehe ich da wie der Hund, dem man mit der Wurst vor der Nase rumwedelt: ich sehe den Eingang auf der anderen Seite, komme aber nicht drüber. Über den Zaun klettern? Die französischen Sicherheitsbeamten erahnen meine Gedanken und heben sofort warnend den Finger: No, no, no, schön bis zum Ende der Strasse gehen, dort gibt’s irgendwo einen Übergang. Ich renne, fange an zu schwitzen, renne weiter, renne zum Ende der Strasse, auf die andere Seite, dann den ganzen Weg zurück. Es ist 8.30 Uhr. Endlich, im Amt bekomme ich meine offizielle Hundemarke und sprinte im Affenzahn raus zum Shuttleservice, der mich zum Pressecenter bringt. 8.50 Uhr.YES, I CAN, ICH BIN DA! Allerdings noch nicht drinnen. Und vor mir eine Schlange Journalisten, die wie am Flughafen erst durch den Screening-Bereich müssen. Zur Sicherheit rufe ich vom Handy aus Frau Weissenstein an. „Ich bin da, bitte warten Sie auf mich, ich muss nur noch durch den Security-Bereich.“ Wenige Minuten später bekomme ich meine Poolcards. Und wenn das hier keine Email, sondern ein Buch wäre oder eine Oscar-Verleihung, dann hätte ich noch folgende Widmung geschrieben: Ich danke hiermit dem Taxiunternehmen Baden-Baden, der Deutschen Bundesbahn, dem Taxiunternehmen Offenburg, dem deutschen Pressedienst-insbesondere Frau Weissenstein-, Monsieur Hilfsbereit aus Strasbourg, die mir dies alles erst möglich gemacht haben…Merci.

Da fliegt dir doch das Blech weg…

Mir bleibt nur eine Stunde Zeit, um kurz zu verschnaufen, dann muss ich auch schon zum Meetingpoint für die Abfahrt zum Airport Baden, um einige Delegationen bei der Ankunft am Flughafen zu fotografieren. Bei meiner Frage nach dem Shuttlebus erfahre ich unsere Abflugzeit. Moment mal, Abflugzeit? Ja, Sie werden mit dem Hubschrauber hingeflogen. Ich habe mich bestimmt verhört, denke ich, doch da drückt mir die Dame auch schon einen Zettel der Bundeswehr in die Hand. „Hiermit versichere ich, dass ich im Falle eines Absturzes keinerlei Schadensansprüche an die Bundeswehr stelle…“ Mein erster Hubschrauberflug, hoffentlich ist es nicht mein letzter. Ich unterschreibe. Auf dem Sportplatz hinter dem Pressecenter bekommen wir alle Ohrstöpsel verteilt. Plötzlich wird es ohrenbetäubend laut. Gleich vier Bundeswehrhubschrauber landen auf dem Rasen und machen jede Menge Wind. Über die Rampe hinten steigen wir ein, rund 30 Journalisten verteilt auf zwei Pritschen links und rechts. Ein Soldat in voller Montur mit Fallschirm etc. empfängt uns mit den Worten: „Herzlich Willkommen, bitte schnallen Sie sich an. Auf dem Flug gibt es keine Mahlzeiten, keine Filme und Aufstehen ist auch verboten.“ „Und was ist mit der Ansage auf Englisch?“ witzelt ein Journalist. Wie auf Kommando zieht der Soldat ein Papier auf Englisch aus der Tasche und reicht es ihm weiter. 1:0 für den Herrn von der Bundeswehr…

Der Hubschrauber wird angeworfen, es wird laut, der ganze Vogel vibriert und ich bete, dass er in besserem Zustand ist, als er von außen aussieht. Wir heben ab und fliegen in 150 Meter Höhe über die Stadt hinweg. Habe ich übrigens schon erwähnt, dass die anderen drei Helikopter mitfliegen?- und zwar alle leer. Ein Detail, das ich den Demonstranten wohl lieber nicht stecken sollte, sonst bekomme ich doch noch nen Stein an den Kopf…

15 Minuten später landen wir auf dem Airport Baden. Nach einem kurzen Frühstück mit Schnittchen, Kuchen, Croissants, Obst und Getränken in der Halle mit dem Kofferband fahren wir mit dem Flughafenbus aufs Rollfeld zu Ankunftsposition 1, auf dem Angie mit „Frau Sauer“ landen soll, wie meine Kollegen den Ehegatten der Kanzlerin liebevoll nennen. Na ja, der arme Kerl muss ja ständig das Damenkränzchen-Programm mitmachen, während seine Frau die Welt rettet. Der Teppich wird ausgerollt, ein Paar in Original Schwarzwälder Tracht steht zum Empfang bereit. Die Maschine landet. Angie, „Frau Sauer“ und ein sichtlich gut gelaunter Herr Steinmeiner steigen aus. Die Frau mit Bollenhut wird links liegen gelassen, schade, wenigstens hätte Angie ihr die Hand schütteln können. Na gut, weiter geht’s. Nach und nach kommen die einzelnen Delegationen an. Da die Ankünfte auf zwei Positionen verteilt sind, die ca. 400 Meter auseinander sind, müssen wir ständig mit dem Flughafenbus hin und herfahren. Griechenland auf der eins, Polen auf der zwei. Solana wieder auf der eins…also, mein Bedarf an Shuttlebus fahren auf Airports ist damit für mindestens zwei Jahre gedeckt.

Zurück nach Strasbourg geht es dann mit einem Bus, und jetzt kommts- der von einem Polizeiauto und sechs Polizeimotorrädern eskortiert wird. Glaubt es mir, jetzt kann ich mir vorstellen, wie sich die Queen fühlen muss, wenn Leute am Straßenrand winken und fotografieren. Wie gut, dass die Scheiben getönt waren und nicht sahen, dass nur popelige Presse im Bus saß. An der französischen Grenze wird die deutsche gegen eine französische Eskorte ausgetauscht und so kamen wir wohlbehütet wieder im Pressecenter an.

Nach meiner abenteuerlichen Anreise am Morgen machte ich mir natürlich Gedanken, wie ich denn abends zum Übernachten wieder zurück und morgens wieder nach Strasbourg reinkommen würde und schnell wurde mir klar, dass die Bemerkung eines Kollegen, am besten im Pressecenter zu Übernachten, nicht als Witz gemeint war: Es war einfach unmöglich, ohne öffentliche Verkehrsmittel und mit zahlreichen Straßensperren raus oder Reinzukommen. Also war am Abend klar: ich werde hier übernachten müssen. Doch wo? Auf dem Boden oder den Sofas, das war noch die beste Alternative. Jetzt verstand ich auch, warum es im Pressecenter so viele Annehmlichkeiten gab: kostenlose Massage, ein riesiges Restaurant mit Buffet, in dem man rund um die Uhr umsonst essen und trinken konnte. Im Presseraum, der für 1000 Journalisten mit kostenloser PC-Benutzung und Telefonen ausgestattet war, konnte man kostenlos surfen und in die ganze Welt telefonieren. Ich überlegte noch, ob ich irgend ne Großtante in Neuseeland anrufen will, aber ich war so müde, dass ich mich lieber ein paar Stunden aufs Ohr gehauen habe. Schließlich war die Uhrzeit für den Meetingpoint am nachten Morgen für 5.30 Uhr festgelegt. Na dann, gute Nacht.

Berlusconi tanzt aus der Reihe…

Wir sind noch alle verschlafen, als wir gegen 6 Uhr wiederholt den Bundeswehrzettel unterschreiben. Auch, wenn es nur zur wenige Kilometer entfernten Rheinbrücke geht, auf der Obama, Merkel und Sarkozy sich zum historischen Hand-Shaking verabredet haben, geht es wieder per Helikopter dorthin. Na ja, beim zweiten Mal bin ich ja schon halber Profi und eh noch so müde, dass ich den Flug halb verschlafe.

Am Rheinufer postieren wir uns auf der Pressetribüne, die neben einem kleinen Pavillon aufgebaut wurde. Hier wird Angela Merkel alle Delegationen empfangen und kurz fruehstuecken, bevor sie mit ihnen auf die Brücke geht. Nur Herr Sarkozy kommt von der anderen Seite und ist dementsprechend auf der anderen Rheinseite.

Angie kommt an. Sie steigt aus, geht kurz ins Gebäude und kommt dann raus, um nach und nach ihre Staatsgäste zu begrüßen. Der amerikanische Tross nähert sich von weitem. Endlich, zum ersten Mal sehe ich Obama! Sein Wagen hält an, er steigt aus. Schlaksig ist er, gutgelaunt geht er auf Angela zu, hält kurzen Smalltalk mit ihr. Sie zeigt auf die Brücke, wo sie beide gleich zusammen rübergehen werden. Obama geht rein, Merkel begrüßt den nächsten Gast. Doch irgendwie geht ihr das Ganze zu langsam. Sie nimmt ihren Assistenten zur Seite und macht Druck: „Wir sind schon im Zeitverzug, das muss schneller gehen hier. Ich will nicht ständig rein und wieder raus laufen, sondern alle hintereinander weg begrüßen.“ Der Typ, der die Autokolonnen heranwinkt, wird plötzlich hektisch und rudert wild mit den Armen. Die Autos geben Gas. Doch Angie ist immer noch nicht zufrieden, es dauert ihr zulange, bis ihre Mitarbeiter den Staatsgästen von außen die Autotür öffnen. „Sie treiben doch jeden Tag Sport, meine Herren“ spornt sie die Jungs an. Es wird noch ein Zacken zugelegt. Im Minutentakt rasen die Autokolonnen jetzt ran, der Antreiber vorne brüllt und winkt immer hektischer. Die Autos bremsen so ab, dass der polnische Präsident und andere beinahe herauspurzeln. Jetzt läuft das Ganze, Angie ist zufrieden. Als der italienische Präsident Berlusconi aussteigt und Merkel ihm die Hand entgegenstreckt, hängt der – typisch Italiener- mit dem Ohr am Handy, winkt ab und geht in die andere Richtung. Merkel bleibt gelassen.“Na ja, der wird schon wiederkommen.“ Danach sieht es allerdings nicht aus, denn Berlusconi geht laut diskutierend am Rheinufer entlang, seine beiden Bodyguards bleiben ihm dicht auf den Fersen. Auf der Pressetribüne fangen meine Kollegen das Spekulieren an. „Bestimmt bestellt er sich gerade ne Pizza 83 mit Extra viel Thunfisch.“ Gelächter. Ein anderer Kollege: „Also, wenn der in der Richtung weiterläuft, ist er bald in Basel.“ Später haben wir dann erfahren, dass Berlusconi sich mit dem türkischen Präsidenten Erdogan unterhielt und dessen Vorbehalte gegen den neuen NATO-Generalsekretär Rasmussen aus dem Weg räumte. Silvio hatte jedenfalls durch seine Telefonaktion die größte Aufmerksamkeit, auch Angie amüsierte sich darüber und informierte jeden weiteren ankommenden Gast über den italienischen Dauertelefonierer. Und weil die anderen nicht mehr warten konnten, gingen sie dann eben ohne Berlusconi auf die Brücke. Aus dem Nichts gab es einen ohrenbetäubenden Lärm und die französische Trikolore-Fliegerstaffel flog in den Farben ihrer Flagge über unsere Köpfe hinweg. Nach diesem Highlight ging’s per Bus zurück ins Pressecenter, natürlich wieder mit Motorradeskorte. An den Service könnte ich mich übrigens gewöhnen…

Hello again, Mr. President…

Mittags musste ich mich dann entscheiden: entweder mit Michelle und Carla ins Strasburger Münster oder zur Abschluss-Pressekonferenz mit Sarkozy und Merkel. Ich entschied mich für Letzteres. Um 13 Uhr wurden wir mit Shuttle-Bussen zum Konferenzzentrum gefahren, um dort zu erfahren, dass die Gespräche noch andauern und sich um unbestimmte Zeit verschieben. Also, wieder zurück in den Bus und ins Pressecenter. Nach einer Stunde Wartezeit dann der zweite Versuch. Diesmal dürfen wir zwar in den Pressesaal, doch nichts passiert auf der Bühne. Nach zwei Stunden Warten (!) tauchen sie um 16 Uhr dann endlich auf: Sarkozy, Merkel und….Rasmussen. Er war der Grund für die Verzögerung. Denn dank Berlusconi hat dann wohl auch Erdogan (der Vorbehalte hatte, weil sich Rasmussen beim Karikaturenstreit für die Pressefreiheit und damit die Veröffentlichung der Karikaturen eingesetzt hatte) eingelenkt und dem Vorschlag der anderen Mitglieder zugestimmt. Mit dieser „Ende gut, alles Gut“ News kamen die drei glücklich auf die Bühne. „Okay, das war’s,“dachte ich und wollte schon zusammenpacken, als mein Schweizer Kollege meinte: „Warte noch, vielleicht kommt noch jemand.“ „Aber die haben doch gar nichts angekündigt,“ meinte ich, worauf er sagte: „Lektion eins im Politikjournalismus: da wird nie was angekündigt. Du musst einfach warten, ob es sich lohnt, weiß man erst hinterher“. Okay, ich blieb sitzen. Und als ich sah, dass die deutsche und französische Fahne weggeräumt und dafür die amerikanische hingestellt wurde, war klar, dass ich noch mal in den Genuss von Obama kommen würde. Und so war es auch: gut 30 Minuten später trat er ans Rednerpult, gab eine 20 minütige Erklärung zum Gipfel ab und beantwortete danach einige Fragen von Journalisten. Und weil er die amerikanischen natürlich alle kennt, ging das dann immer so: Ja, Bob, was ist Deine Frage? Ja, Andrew, Deine Frage bitte…Erst am Schluss meinte er dann: „So, jetzt bitte keine US-Journalisten mehr, nur noch europäische.“ Das wäre natürlich mein Moment gewesen. Aber ganz ehrlich: mir ist in dem Moment nichts Gescheites eingefallen. Ich war todmüde, hatte in den letzten 48 Stunden kaum geschlafen und hätte ihn vermutlich gefragt, ob ich mich in seiner Suite im Hilton Hotel nebenan nicht mal kurz aufs Ohr hauen kann oder er vielleicht ein Stück Obama-Schokoladentorte mit mir isst. Na ja, beim nächsten Mal…Als Mr. President weg war, wollte ich nur noch eines: nach Hause. Und auch das wäre beinahe wieder zu einer Odyssee geworden. Denn auf dem Weg zur Grenze sahen wir schon von weitem Rauchsäulen rund um Strasbourg. Die Situation mit den Gegendemonstranten hatte sich deutlich verschärft. Sie hatten eine Wachstation und ein Ibis-Hotel angezündet, ein richtiger Straßenkampf war im Gang. Als Folge daraus ließ die französische Polizei alle Strassen nach Deutschland sperren, damit die Demonstranten nicht entwischen konnten. Die beiden Kollegen, die mich im Auto mitnahmen, und ich dachten in diesem Augenblick dasselbe: wieder eine Nacht ohne Bett und Dusche. Diesmal rettete uns nur der Presseausweis. Die Gendarmerie scannte unsere Daten in den Computer ein und wir durften durch die Absperrung. Wären wir einfach nur Herr Meier oder Frau Müller gewesen, wären wir nicht aus Frankreich raus gekommen. Nach drei weiteren Sperren waren wir wieder auf deutschem Boden. Mit dem Fazit: Yes, we did it!

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