Peter Falk alias Inspector Columbo (2006)

„Ich hätte da noch eine Frage…“

Peter Falk alias Inspector Columbo stellt vor New Yorker Fans seine Memoiren vor

Ein zerknitterter Regenmantel wurde zu seinem Markenzeichen. Ihn trägt Peter Falk alias Columbo schon lange nicht mehr, dafür hat er jetzt im Gesicht ein paar Falten mehr. Auch seine Vorliebe für Zigarren gehört der Vergangenheit an, mit dem Rauchen hat er nach einem Besuch beim Hypnosearzt aufgehört. Ansonsten ist er zum Glück der Alte geblieben. Das verschmitzte Lächeln und den Humor hat Hollywoods berühmtester Inspektor jedenfalls nicht verloren. Generationen sind mit seinen Kriminalgeschichten aufgewachsen, für seine Fans besitzt der 79 jährige längst Kultstatus. Unvergessen, wie er mit seiner gespielten Schusseligkeit und seinem „Ich hätte da noch eine Frage“ den gewieftesten Mörder erst zur Verzweiflung und dann zum Geständnis trieb. Aktuell tourt Peter Falk mit seinen Memoiren „Just one more thing: stories from my life“ durch die USA. Beziehungsweise Columbo, denn irgendwie kann man die beiden nicht voneinander trennen.

Es ist nicht nur was, sondern wie er über sein Leben spricht. Er holt weit aus, baut einen Spannungsbogen auf und endet treffsicher mit einer Pointe, die alle zum Lachen bringt. Ab und zu verliert er den Faden seiner Geschichte und unterbricht dann irgendwann mit: Was war noch mal die Frage? Wieder hat er die Lacher auf seiner Seite. Peter Falk ist zurück an dem Ort, an dem seine Karriere begann. Auf Stippvisite in New York. Unter seinem karierten Pullover schaut ein weisses Hemd mit blauem Blumenmuster im hawaiianischen Stil hervor. Das Haar silber-grau schimmernd, das rechte Auge wie immer halb geschlossen. Falk hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er im Alter von drei Jahren durch eine Krebserkrankung ein Augenlicht verlor und seitdem ein Glasauge hat.

Rund 50 Besucher der jüdischen Gesellschaft Makor haben an diesem Abend das Glück, dem Schauspieler zuzuhören. Das Ganze hat etwas von einer Erzählstunde mit dem Großvater, der den Enkelkindern Anekdoten aus vergangenen Zeiten zum Besten gibt. Mit dem kleinen Unterschied, dass dieses Publikum bereits im Erwachsenenalter ist. Und, dass Falk vermutlich um ein Vielfaches mehr zu erzählen hat als der Großvater im Allgemeinen. Sein Leben ist wie eine Wundertüte voller Geschichten. In der ersten verrät er, warum er erst mit fast Dreißig seine Filmkarriere startete.

„Ich war in jeder Beziehung ein Spätzünder, nicht nur in puncto Schauspielerei. Geheiratet habe ich erst mit 33, und mit dem Malen fing ich an, als ich bereits 45 war. Oft frage ich mich, was ich davor gemacht habe. Ich wusste nie, was ich werden wollte, deshalb hat es wohl so lange gedauert, bis ich meine Berufung gefunden habe“. Seine Karriere beginnt er als Broadway-Schauspieler für zehn Dollar die Woche mit „Stücken, die keiner sehen wollte“. Und dass er eines Tages mal berühmt sein würde, daran habe er nicht im Traum gedacht. Dann der Durchbruch mit seinem ersten Film „Unterwelt“. „Da habe ich, ähm, …er überlegt und hält die Hand in alter Columbo-Manier an die Schläfe, „welche Rolle hab ich da noch mal gespielt?“ wendet er sich Hilfe suchend an die Runde. Abe Kid Twist Reles rufen mehrere Zuhörer wie aus der Pistole geschossen. Man merkt, hier sitzen echte Columbo-Kenner, die ihre Hausaufgaben gemacht haben. Aber, Moment mal, hat er das jetzt wirklich vergessen oder war das jetzt gerade ein Trick nach Columbo-Art, um das Wissen seines Publikums auszuspionieren? Die Gestik, das Innehalten und nach Worten suchen, als ob Columbo persönlich vor einem sitzt. Und man kommt ins Grübeln: Was von Falks Vergesslichkeit ist echt, was gespielt? Sehr verdächtig.

1960 erhält Falk fuer seine Nebenrolle in „Unterwelt“ seine erste Oscar-Nominierung. „Als ich in Hollywood drehte, riet mir der berühmte Agent Abe Lastfogel einen Presseagenten zu engagieren, der die Werbetrommel für mich rührt. Ich dachte ja immer, das machen nur Politiker, eine Kampagne starten. Nun gut, ich habe auf ihn gehört und wurde tatsächlich für den Oskar nominiert. Am Abend der Preisverleihung fuhren meine Frau und ich mit einem alten Volkswagen vor, alle anderen mit noblen Limousinen. Als dann der Gewinner für meine Kategorie aufgerufen wurde, hörte ich nur: „And the winner is: „….Peter…“ „ich wollte schon aufstehen“…„Ustinov. Da hab ich mich ganz schnell geduckt und meinem Presseagenten zugeflüstert: Du bist gefeuert“.

Im Laufe seiner Karriere arbeitet Falk mit vielen Regisseuren zusammen, manche von ihnen sind so verschroben und kauzig wie seine Filmrolle. „John Cassavetes war so ein verrückter Kerl, total unberechenbar. Er hat die Art des Filmens revolutioniert. Während man bei anderen Regisseuren eine Stecknadel am Set fallen hören konnte, sobald jemand Action“ sagte, war bei John nie etwas zu hören. So passierte es oft, dass ich nachfragte, wann es losgeht, und er meinte jedes Mal nur: Die Kamera läuft bereits seit zwei Minuten“. Damit wollte er mehr Improvisation und Spontanit in die Szenen bringen.“ Ob ihm die Zusammenarbeit mit Frank Capra weniger im Gedächtnis geblieben ist oder der Inspektor wieder in ihm durchkommt, ist schwer zu sagen. Welchen Film hab ich mit ihm gemacht? denkt Falk laut nach und schaut in die Luft. „Die unteren Zehnstausend“ tönt es aus dem Publikum. „Ach ja richtig, danke. Egal, ob Columbo-Taktik oder Gedächtnislücke, Falk spürt, worauf es bei einem guten Geschichtenerzähler ankommt, denn er bindet sein Publikum mit ins Gespräch ein.

Ihm fallen zwei weitere Regisseure ein, die denkwürdig waren. Mike Nichols zum Beispiel. Bei ihm muss er bei den Proben auf dem Boden liegen und an die Decke starren, während er den Text aufsagt. Und Wim Wenders spannt ihn endlos auf die Folter, als er ihn nachts anruft und ihm eine Rolle in „Der Himmel über Berlin“ anbietet. „Ich fragte, was mein Charakter denn von Beruf sei, und er antwortete in die Länge gezogen wie Kaugummi: „Och, der kann alles sein, Verkäufer, Tankstellenwärter…“ ich unterbrach nach einer Weile und wollte wissen: geht die Rolle denn überhaupt in irgendeine Richtung? Da meinte er: er kann alles sein, er ist halt ein Ex-Engel. Ein was?“,fragte ich erstaunt, „ich kenne nur Ex-Frauen, aber Ex-Engel? Damit hatte Wenders mich in der Tasche“.

Er kommt auf die Rolle seines Lebens zu Sprechen. Und lüftet das Geheimnis, dass Columbos legendärer Look einzig und allein seine Idee gewesen ist. „Als ich in den Kostümraum kam und all die Anzüge sah, war ich sehr enttäuscht. Jeder hätte die tragen können, sie waren so austauschbar. Ich wollte was Einmaliges tragen, so wie Charlie Chaplin, das im Kopf bleibt. Also bin ich nach Hause gefahren und habe meinen Regenmantel geholt, den ich schon vier Jahre hatte. Ich sagte: färbt den Anzug, damit er zum Mantel passt. Danach stellte ich mich vor den Spiegel und sagte:Mehr brauche ich nicht. Am Set guckten sie mich erstaunt an und meinten: Wie, das trägt Columbo jeden Tag, immer dasselbe? Und was, wenn er mal an den Strand geht? Traegt er dann auch einen Regenmantel?“ Die Filmfigur war geboren. Wie heißt Columbo eigentlich mit Vornamen, ruft da ein Zuhörer dazwischen. Falk: Ist doch ein klarer Fall: Lieutenant.

Nicht nur das Aussehen, sondern auch der Charakter Columbos trägt Peter Falks Handschrift. „Ich habe so oft in meinem Leben Scripts überarbeitet und geändert, ohne das würde ich heute noch 10 Dollar am Broadway verdienen“. Eine komische Note bekamen viele der Filmszenen meist durch Improvisationen und ungeplante Momente. „Ich erinnere mich daran, wie ich einmal statt des Beweismittels den Einkaufszettel meiner Frau aus der Tasche gezogen habe, das haben wir einfach in den Dialog mit eingebaut. Durch diese Dinge hat mir die Arbeit so viel Spaß gemacht“. In einer anderen Szene überbrueckt er die Wartezeit am Telefon und fängt an, vor der Kamera den Kinderreim “ Nick nack paddy wack zu summen. Er wurde zum Columbo-Titelsong. Wieder durch einen Zufall.

Seine Liebe zum Malen entdeckt Peter Falk erst spät. Die Schuld daran gibt er seinem Schulfreund. „Danny und ich waren die einzigen in der Schule, die künstlerisches Talent hatten. Er malte aus der Phantasie, ich hingegen zeichnete Dinge ab. Ich redete mir ein, dass Danny deshalb der wahre Künstler von uns beiden war und malte nicht mehr. Jahre später, als ich in Serbien einen Kriegsfilm drehte, fing ich wieder an damit, denn dort war Winter, es gab keine Frauen und Pokerspielen wurde mir nach einer Weile zu langweilig. Als ein Bildhauer mich dort ansprach und mein Bild bewunderte, wusste ich, dass meine Komplexe Unsinn waren. Zurück in New York kam ich an einer Kunstschule vorbei. Ich spähte dort durch eine Türritze und sah eine nackte Frau auf einem Podest und Studenten, die sie portraitierten. Am nächsten Tag habe ich mich dort angemeldet. Inzwischen male ich jeden Sonntag“. Seine Leidenschaft für Frauenakte tut der Liebe jedoch keinen Abbruch. Seit fast dreißig Jahren ist Falk mit der Schauspielerin Shera Danese verheiratet. Das Geheimnis seiner glücklichen Ehe: „Ich habe eine Humor volle Ehefrau, vermutlich die witzigste auf der ganzen Welt“. Und sie ist nicht eifersüchtig auf die Modelle? „Nein, im Gegenteil, sie ist jedes Mal froh, wenn ich aus dem Haus bin“.

Ansonsten lebt der Schauspieler zurückgezogen in seinem Haus in Hollywood. Neue Projekte stehen keine an, zwei, drei Filme hat er zwar gerade abgedreht, aber deren Titel hat er vergessen. „Oh Gott, ich sehe mich schon auf dem Golfplatz“ scherzt er. Fernsehen sieht Falk gar nicht mehr, aber er hat gehört, dass es „ lausig schlecht sein soll“. „Die einzige Sendung, die ich überhaupt schaue, ist Hardball mit Chris Matthews, eine politische Talkshow. Ob er denn „Kommissar Derrick kennt, möchte ein Deutscher im Publikum von ihm wissen. „Nein, der Name sagt mir nichts, wer ist das?“ Horst Tappert wird’s verschmerzen.

Natürlich wird Peter Falk nicht entlassen, bevor er die Frage aller Fragen beantwortet. Wird es noch mal eine Columbo Folge mit ihm geben? „Also, ich habe da ein geniales Skript in der Schublade, aber bislang zeigt das Filmstudio kein Interesse. Ich verrate nur so viel: eine Frau, die Bücher über Prominente schreibt, wird von Larry King interviewt und in einer Werbepause telefoniert sie mit einer Frau in Los Angeles. Die bricht nach zwei Minuten tot zusammen. Das Telefon ist das Mordwerkzeug. Es wäre sein 70. Columbo. Den berühmten Regenmantel hat Falk jedenfalls sicherheitshalber zuhause aufbewahrt. Und der alte Peugeot steht auch immer noch im Filmstudio. Nur, fuer den Fall der Faelle.

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